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Ein Gastbeitrag der unvergleichlichen Katka.

 

 

Der Küchenboden war kalt, schwarz und weiß, die Fußabdrücke konnte man direkt sehen.

Ein Tisch stand am Rand jener Wand, die 4 Meter in die Höhe schoss und von unten kein Ende zu haben schien, 4 Stühle beim Tisch stehend, zwei davon waren vollgeräumt mit Zeitungen, eine kahle Küche, die außer einer fast verdörrten Pflanze und Geschirr aus den Fünfzigern nichts zu bieten hatte. Sie saß zusammengekauert auf einem Sessel, in der Hand einen mit Haltbarmilch – gemachten – Kakao, eine Autozeitschrift aus den 80igern auf dem Tisch. Eine Hand legt sie in den Nacken, die Haare auf ein Knäuel zusammengebunden und der Stille zuhörend.

Ihre billige Mascara war im Gesicht verschmiert, ihre Zehen waren eiskalt, der Boden wärmte nicht, die Heizung dieser Altbauwohnung funktionierte nur mehr im Wohnzimmer und in einem der 4 Schlafzimmer. Sie hatte ein altes Hemd angezogen, dort zugeknöpft, wo das Hemd noch Knöpfe zum Zuknöpfen hergab. Warum? Das fragte sie sich, seit Tagen, Monaten, Jahren, seit immer wohl.

Ihre Hände waren voll von Acrylfarbe, denn sie malte gern. Sie malte sich die Welt. Träumend saß sie in der öden Küche, dem fallenden Schnee sah sie zu. Gedankenversunken dachte sie an jene Geschichte, die sie letzte Nacht im Bett gelesen hatte, die sie seitdem wachhielt. Langsam setzte die Abenddämmerung ein. Dann schloss sie die Augen.

 

„Verdammt, wer hat denn die Waschmaschine in den Gang gestellt!?!“, brüllte er. Sie wollte nicht antworten, hatte sie ihm doch gestern erzählt, dass die Waschmaschine zur Reparatur abgeholt werden würde. „Wo verdammt ist Philou, er muss mir helfen!“, brüllte er weiter. Mit seinen starken Oberarmen schob er die Waschmaschine vom Eingang weg, schmiss die Sporttasche den Gang entlang, ließ die Türe knallen und verschwand schlussendlich in sein Schlafzimmer.

Er war wütend. Er nahm eine Schallplatte, so nostalgisch war er, hörte ACDC und schrie sich seine Seele aus dem Leib. Sie saß in der Küche teilnahmslos. Plötzlich wurde es still.

Er nahm eine andere Schallplatte, diesmal eine Janis Joplin. Er ging ins eins der zwei Badezimmer, holte sich einen Wein, da dort die Heizung trotzdem nicht funktionierte und der Wein dort gut gelagert werden konnte, ging zurück und setze sich auf den Boden, trank den viel zu kostbaren Rotwein von der Flasche und hörte das Krächzen von Janis und starrte noch teilnahmsloser an die schon bröckelnde Wand.

 

Langsam stand sie von dem Sessel auf, stellte die leere Tasse in das Spülbecken, und schob sich langsam den Gang entlang. Sie machte behutsam einen Schritt nach dem anderen.

Sie atmete tief durch. Öffnete seine Schlafzimmertüre einen Stück, lugte rein, schlüpfte durch die Tür, schloss die Türe noch behutsamer und setzte sich neben ihn auf den roten Perserteppich.

Er fuhr sich trotzig durch sein Gesicht und bemerkte, dass sein Dreitagesbart stoppelig war und genauso stach, wie die Schmerzen, die er in seinem Herzen verspürte.

Mit ihren großen braunen Augen sah sie ihn an. Sie verstand, obwohl es nichts zu verstehen gab, obwohl er ihr nichts erzählt hatte, sie verstand. Er spürte, wie sein Temperament langsam abkühlte, und er klaren Kopf bekam. Sie nahm die Rotweinflasche, trank einen Schluck und rückte ein Stück näher. Sie gab ihm die Weinflasche. Er blickte sie an und sah in die warmherzigen Augen, die ihn immer schon gemocht haben. Er nahm seine Hand, streichelte ihr Gesicht, ließ ab und fing wieder von vorne an. Ein gequältes Lächeln kam ihr über die Lippen. Er schloss ihre Augen und griff nach ihren kleinen, weichen Händen mit den abgeknabberten Fingernägeln. Es war ihm egal.

Er fühlte ihre seidenen Haare, die nach all den Blumenwiesen dieser Erde roch, so wie die Blumenwiesen seiner Vergangenheit. Er roch, dass ihre Haut leicht nach Vanille rochen, jenen Duft, den er in seinem Arbeitsleben schon lange nicht mehr so wahrnehmen konnte. Er spürte das sperrige Hemd, ihre prallen Oberschenkel, das Stechen in seinem Herzen.

Er küsste sie. Lange. Sie widerstandslos.

Er drückte sie sanft auf den Boden, öffnete das Knäuel in ihrem Haar und die restlichen Knöpfe des zerschlissenen Hemdes…..

 

Maybe. Tönte der Schallplattenspieler.